Wie haben Sie das gemacht, Herr Danquart?

Der Filmemacher Pepe Danquart über Weg, Werk und Werte.

Interview erschienen im RÄDLE Magazin 3.

Auszug: Wann haben Sie gewusst, dass Filmemachen das ist, was sie den Rest Ihres Lebens tun wollen?

Ich habe schon früh damit angefangen, mich für Film, Fotografie und Malerei zu interessieren. Meine schulischen Leistungen waren eher durchwachsen, aber Sport und Kunst lagen mir immer und haben mir Spaß gemacht. Das Ganze als potenziellen Beruf zu sehen kam jedoch erst deutlich später. Zunächst einmal war es mein Ziel, Student zu werden und die universitäre Welt kennenzulernen und in sie einzutauchen.

Sie haben sich schließlich für ein Studium der Kommunikationswissenschaften entschieden und sind Ende der 70er nach Freiburg gezogen.

Damals war eine ganze Menge los - politisch, kulturell, gesellschaftlich. Ich habe schnell Leute kennengelernt, die ähnliche Sichtweisen vertraten. Miriam Quinte, heute meine Frau und lange Zeit meine Regiepartnerin/Produzentin und Bertram Rotermund. Die waren im selben Studienfach eingeschrieben, allein dadurch ergab sich eine Interessenüberschneidung. 1978 haben wir zusammen die Medienwerkstatt Freiburg gegründet, zu welcher bald darauf noch weitere Leute dazukamen, unter anderem mein Bruder Didi. Die Videografie war damals völlig neu, endlich konnte man die Produktionsmittel selbst in die Hand nehmen und Filme machen, denn zuvor war dies ausschließlich finanzstarken Produktionsfirmen und TV-Sendern vorbelassen gewesen. Mit den Hausbesetzungen und vor allem den Protesten gegen das Atomkraftwerk in Wyhl bewegten wir uns in Freiburg in einem politisch sehr wachen und engagierten Umfeld. Schnell wurden wir zum mit der Kamera bewaffnete Arm der Bewegung in Südbaden. Das fiel zusammen mit einer allgemeinen, internationalen politisch-kulturellen Bewegung, die raus aus der Hochkultur wollte, um eigene Impulse von unten zu geben. Sei es der Punk, der damals in England entstand oder auch die Themen, die in der Literatur behandelt wurden. Unsere Filme waren radikalpolitisch Statements, wir haben uns ganz eindeutig positioniert. Es ging uns nie um sogenannte journalistische Ausgewogenheit und Beleuchtung der unterschiedlichen Ansichten und Argumente, sondern wir haben uns hundertprozentig auf einer Seite der Barrikade verortet.

Zu dieser Zeit entstanden in vielen Städten Medienkollektive, die mit Videotechnik gearbeitet haben. Fand untereinander ein Austausch statt?

Natürlich. Es ging immer darum, die Grenzen des Mediums auszuloten. Damals gab es keine digitalen Schnittmöglichkeiten, so wie heute, der non-linearen Schnitt musste erst einmal erfunden werden. Das Wunderbare an unserer Arbeit war die totale Freiheit. Wir waren niemandem Rechenschaft schuldig, haben all unser Geld zusammengeschmissen, die ersten mobilen Videogeräte gekauft und sämtliches Material im Kollektiv genutzt. Beinahe jeden Tag waren wir auf der Straße unterwegs und haben gedreht, manchmal ohne genau zu wissen, wonach wir suchten. Kilometer von Videobändern haben wir verbraucht, haben all unsere Leidenschaft ins Filmen gesteckt und alles andere untergeordnet. Das Medium Video war in der etablierten Filmszene unbekannt. Wir haben es kontinuierlich nach vorne getrieben, in aller Konsequenz haben Collagen gemacht und uns immer weiterentwickelt. Es ist nicht vermessen zu sagen, dass wir zusammen mit den anderen Kollektiven Pioniere der Videokunst waren.

Haben Sie sich eher als Aktivisten oder in erster Linie als Filmemacher gesehen?

Ich habe mich von der Politik hin zum Film entwickelt, würde ich sagen. Für mich als Aktivist habe ich die Aufgabe gesehen, das, was ist und was geschieht filmisch festzuhalten. Wir wollten die Welt verändern, schauten nach vorne, wollten Ungerechtigkeit bekämpfen und stellten sehr hohe Ansprüche an uns selbst und alle anderen auch. All die Kriege und Revolutionen der damaligen Zeit beschäftigten uns sehr. Und auch hier, in unserer Region war es im Prinzip das gleiche Spiel. Die Reichen, die Mächtigen, Feinde der einfachen Leute, der Bauern, wollten einen ganzen Landstrich zerstören, nur damit Energiekonzerne ein Atomkraftwerk in Wyhl bauen konnten. Mir war immer klar, zu welcher „Partei“ ich in diesen Auseinandersetzungen gehöre. Es gibt einen Film, der mich damals ganz besonders beeindruckt hat und mein Schaffen stark beeinflusste – Now vom Kubaner Santiago Alvarez. Ein Musikstück, zu dem fünf Minuten lang reale Aufnahmen gezeigt werden, wie US-Polizisten Schwarze brutal zusammenschlagen. Das war unglaublich! Kein journalistisches Herangehen, sondern ein emotionales Hineinwerfen in Ungerechtigkeit, die Grausamkeit in all ihrer Härte zeigen. Man sah ganz ungeschminkt den Rassismus, die Gewalt, den Machtmissbrauch, das hat am Herzen gerührt und genau solche Filme wollte ich, wollten wir als Kollektiv machen.

Im Vorlauf unseres Interviews haben Sie einige Filmemacher als Einfluss genannt, die dezidiert marxistisch sind und sich als Kommunisten verstehen. Gibt es in ihrem Schaffen eine theoretisch ideologische Grundlage, die Sie konkret benennen können?

Puh, schwierige Frage. Als Marxist habe ich mich nie verstanden, aber politisch immer klar links. Wir wollten Gleichheit für alle schaffen und die Ungerechtigkeiten im kapitalistischen System angreifen. Für uns beziehungsweise für mich war dies immer sehr lustbetont, eher anarchistisch, würde ich sagen. Keine stumpfe Zerstörungswut, sondern syndikalistisch im Sinne eines rätedemokratischen Modells, welches sich sehr stark am Politikverständnis der CNT und den spanischen Anarchisten der 30er-Jahre orientierte. Die K-Gruppen der damaligen Zeit haben mich aufgrund ihres Autoritarismus nie interessiert. Wir wollten die Alpen abschaffen, damit wir freie Sicht auf das Mittelmeer von Freiburg aus haben (lacht). Unsere Arbeiten waren immer sowohl künstlerisch als auch politisch aufgeladen. Durchaus unterminiert mit einer linken Weltsicht, aber nie dogmatisch. Rechte Ideologie, der Konservatismus ist eine affirmative Haltung zum Leben und zur Welt. Die Linke will Dinge verändern und mehr Gerechtigkeit schaffen. Kunst kann in meinen Augen nie affirmativ sein, sondern muss gegen den Strom ausgerichtet sein, muss anstoßen, wachrütteln und auf Missstände aufmerksam machen. Das war und ist ein starkes Motiv in meiner Arbeit.

Dieser Gedanke von Kunst als Gegenkultur ist aber sehr zwiespältig, da der ganze Kunstbetrieb meist genau diese vermeintliche Gegenkultur aufgreift, sich zu eigen macht und das rebellische Momentum abtötet.

Ja, die Hochkultur perpetuiert nur zu gerne Kultur von unten, greift sie auf und vermarktet sie in einem kapitalistischen, kommerziellen Sinne. Das ist es, was der Konservatismus, was die Rechte macht. Neue Gedanken, neue Ideen in den Diskurs zu bringen, ist nicht die Stärke einer weltanschaulichen Ausrichtung, die vor allem auf den Erhalt des Bestehenden oder gar die Rückkehr zu Altem setzt. Also muss man sich behelfen und von anderen kopieren und deren kreatives Potenzial vereinnahmen. Kunst, die Wirkmächtigkeit und Relevanz besitzt, ist im Kern immer Gegenkultur und stellt das Bestehende infrage. Das sie sehr oft von Personen, Institutionen und Strömungen aufgegriffen und vereinnahmt wird, gegen die sie sich ursprünglich wendet, das trifft auch heute nach wie vor im rechten politischen Lager zu.

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